Endgültige Metaphern und Bedeutungen

Literaturgattungen › Lieder und Gedichte | Tibetische MeisterLongchen Rabjam

English | Deutsch | Français | Português | བོད་ཡིག

Longchen Rabjam

Longchen Rabjam

Weitere Informationen:
Diesen Text herunterladen:

Endgültige Metaphern und Bedeutungen:

Ein Vajra-Gesang

von Longchen Rabjam

Mit unermüdlicher Hingabe bete ich zum Lama-Meister,
der Emanation des Siegreichen,
dem kostbaren wunscherfüllenden Juwel:
Segne mich mit der Kraft deines Mitgefühls!

Samsara gleicht einem königlichen Kerker:
Das Leiden und die Verwirrung dort sind unermesslich.
Jetzt ist es am besten, als dein dauerhaftes Ziel
den Zufluchtsort der großen Glückseligkeit und des Erwachens anzustreben.

Die Phänomene dieses Lebens sind wie Träume:
Das Gewahrsein wird durch aufgewühlte Verwirrungen getäuscht.
Jetzt ist es am besten, den Hafen
des unverfälschten Dharma, frei von Verwirrung anzusteuern.

Die verschiedenen Ablenkungen sind wie die Schauplätze eines Marktes:
Das menschliche Leben wird in ständiger Geschäftigkeit verschwendet.
Jetzt ist es am besten, das große Ziel des Erwachens
als das Herzstück des Pfades der Befreiung zu verwirklichen.

Verwirrung ist wie das Spiel eines Kindes:
Der eigene Geist wird von den Phänomenen der Objekte und Subjekte getäuscht.
Jetzt ist es am besten, deine drei Pforten (Körper, Sprache und Geist)
auf den tiefgründigen Dharma, den Raum des natürlichen Zustands, auszurichten.

Der Herrscher des Todes ist wie der Schatten des Abends:
Er zieht immer weiter, ohne auch nur für einen Moment innezuhalten.
Jetzt ist es am besten, Zuflucht zur großen Glückseligkeit, der unsterblichen, wahren Natur, zu nehmen.

Familie und Freunde sind wie die Kundschaft auf einem Markt:
Zunächst versammeln sie sich, aber irgendwann trennen sich ihre Wege wieder.
Jetzt ist es am besten, die Natur des Geistes zu erkennen, wie sie ist,
die wesentliche Bedeutung, von der es keine Trennung gibt.

Freunde und Nahestehende sind wie Vogelküken in einer Weide:
Momentan sind sie versammelt, aber jedes einzelne wird wegfliegen.
Jetzt ist es am besten, Zuflucht zum natürlichen Zustand zu nehmen,
zum Dharmakāya, der niemals verschwindet.

Bedienstete sind wie Arbeitskräfte, die für einen Tag angeworben werden:
Sie sind kurz da, aber sie gehen schnell wieder weg.
Jetzt ist es am besten, an den Ort der Auflösung
der erleuchteten Haltung im unveränderlichen Dharmakaya getragen zu werden.

Ruhm ist wie der donnernde Drache am Himmel:
Dein Geist wird für einen Moment von seinem Gebrüll verführt.
Jetzt ist es am besten, über die wahre Natur, das klare Licht,
den tatsächlichen Zustand innewohnender Wahrheit zu meditieren.

Angesammelter Reichtum ist wie der Honig einer Biene:
Von einem selbst zusammengetragen, wird er von anderen genossen.
Jetzt ist es am besten, all deine Nahrungsmittel, Reichtümer und Besitztümer
in der Schatzkammer der Großzügigkeit zu verbergen.

Der ruhelose Körper und die rastlose Sprache sind wie ein Wahnsinniger:
Achtlos verlieren sie, wenn bedrängt, einfach die Kontrolle.
Jetzt ist es am besten, das Ornament der Disziplin zu tragen,
indem man die drei Pforten vollständig zähmt.

Feindseligkeit ist wie ein großer Waldbrand:
Sie verzehrt das Brennholz der Tugend in deinem Geistesstrom.
Jetzt ist es am besten, die Rüstung der Geduld anzulegen
und den schmerzhaften Dorn des Zorns herauszuziehen.

Sorglosigkeit ist wie die Trägheit eines Ochsen:
Sie lässt uns keine Zeit, Aktivitäten zu erledigen.
Jetzt ist es am besten, das Ross des Gewahrseins
mit der eisernen Peitsche des Fleißes anzuspornen.

Die verwirrten Wahrnehmungen von Samsara sind wie magische Zaubertricks:
Sie täuschen uns durch Ablenkung und Zerstreuung, Tag und Nacht.
Jetzt ist es am besten, allein in Klausur zu verweilen
und sich mit meditativer Stabilität vertraut zu machen.

Verblendung ist wie die Dunkelheit der Nacht:
Dharmische und nicht-dharmische Formen sind unsichtbar.
Jetzt ist es am besten, unvoreingenommen
mit der Fackel der unterscheidenden Weisheit zu studieren und zu kontemplieren.

Geschäftigkeit ist wie die Wellen auf dem Wasser:
Handeln, Akteure und Objekte nehmen kein Ende.
Jetzt ist es am besten, frei zu ruhen
und alle Aktivitäten dieses Lebens einfach loszulassen.

Immer mehr zu wollen ist wie Reichtum zu besitzen:
Egal, wieviel man erwirbt, man ist nie zufrieden.
Jetzt ist es am besten, illusorische Besitztümer loszulassen,
ohne Anhaftung oder Fixierung.

Selbstanhaftung ist wie eine Schlinge, in der man gefangen ist:
Das Selbst ist an das Gefängnis von Samsara gekettet.
Jetzt ist es am besten, die Phänomene in den Dharmakāya zu verwandeln.
indem man sich an nichts festklammert.

Authentizität ist wie ein kostbarer Edelstein,
der Glück und Glückseligkeit in diesem Leben und darüber hinaus herabströmen lässt.
Jetzt ist es am besten, sich auf den heiligen Lama zu verlassen
und den heiligen Dharma zu praktizieren.

Wissensgebiete sind wie Planeten und Sterne am Himmel:
Die Notwendigkeit zu lernen wird kein Ende nehmen.
Jetzt ist es am besten, über die tiefgründige Soheit zu meditieren,
die wesentliche Bedeutung des Dharmakāya.

Konventionen sind wie die Rezitationen eines Papageis:
Es gibt viele Konflikte zwischen dem Dharma und deinem Charakter.
Jetzt ist es am besten, mit aller Kraft zu praktizieren,
um die leidverursachenden Emotionen im Geistesstrom zu zähmen.

Glaubenssätze sind wie die selbstvergiftende Spucke des Srin-Dämons:
Dein Geistesstrom ist durch sich selbst gebunden.
Jetzt ist es am besten, nicht an irgendwelchen Behauptungen
über die Bedeutung der Realität selbst festzuhalten, frei von Extremen.

Sicht und Meditation sind wie die Rede eines Blinden:
Es wird viel beschrieben, aber wenig kommt an.
Jetzt ist es am besten, über Vorstellungen wie „ist“ oder „ist nicht“ hinauszugehen,
zur Bedeutung von Dharmakāya, der Natur des Geistes.

Anzeichen des Fortschritts sind wie ein Kinderkuchen:
Jedes kleine Stück ist begehrt.
Jetzt ist es am besten, immer frei von Verhaftung zu sein,
ganz egal, welche Erfahrungen und Erkenntnisse auftauchen.

Das Verlangen nach Errungenschaft ist wie der Reichtum eines Kaufmanns:
Es beinhaltet viele Wünsche und Vorstellungen für die Zukunft.
Jetzt ist es am besten, die innewohnende spontane Präsenz zu realisieren,
die Bedeutung des letztendlichen Dharmakāya.

Samsara und Nirvana sind wie gute und schlechte Träume:
Selbst-erscheinende, grundlose und leere Formen.
Jetzt ist es am besten, den wahren Grund des Gewahrseins zu bewahren,
ohne etwas anzunehmen oder abzulehnen.

Die acht weltlichen Dharmas sind wie das Kopfkissen eines Kranken:
Du kannst tun, was du willst, du wirst dich nie behaglich fühlen.
Jetzt ist es am besten, dieses Leben aufzugeben
und die Skandhas Name und Form zerstören zu lassen.

Hoffnungen und Wünsche sind wie die Futterreste eines alten Hundes:
Es gibt vieles, was nicht mit deinen Gelüsten übereinstimmt.
Jetzt ist es am besten, deine Wünsche zu überprüfen
und dich auf das höchste Ziel zu verlassen, ganz egal, was kommt.

Vorsätzliche Taten sind wie die Spiele von Kindern:
Widmet man sich ihnen, kommen sie nicht zum Abschluss, doch lässt man sie sein, sind sie vorbei.
Jetzt ist es am besten, an den Ort der Auflösung der erleuchteten Gesinnung getragen zu werden,
den Raum von Dharmakāya, in dem es nichts zu tun gibt.

Dieser Vajra-Gesang vereint Metapher und Bedeutung.
konventionelle und endgültige Bedeutungen verschmelzen in ihm.
Er wird jenen dargeboten, die mit Vertrauen zuhören:
Möge seine Tugend Samsara bis in seine Tiefen leeren!

Dieser Vajra-Gesang mit endgültigen Metaphern und Bedeutungen wurde von Longchen Rabjam, dem Yogin des höchsten Fahrzeugs, an dem abgeschiedenen Ort Lhundrup Ling zum Wohle derer, die Vertrauen haben, verfasst. Möge Tugend im Überfluss vorhanden sein!


| Englische Übersetzung von Benedek Bartha, 2022. Deutsche Übersetzung Daniel Dastagir und Yogini „Mutter aller Tiere", 2023. Herzlichen Dank an Erika Bachhuber für das Lektorat.


Bibliographie

Tibetische Editionen

klong chen rab 'byams. „dpe don nges don rdo rjeʼi mgur". In gsung thor bu dri med ʼod zer (sde dge par ma). Paro, Bhutan: Lama Ngodrup und Sherab Drimey, 1982. Bd. 2: 289-292

dri med 'od zer. gsung 'bum/_dri med 'od zer/ dpal brtsegs/ mes po'i shul bzhag. 26 vols. Peking: krung go'i bod rig pa dpe skrun khang, 2009. (BDRC W1KG4884). Bd. 24: 220-224

Sekundärquellen

Bartha, Benedek. Metaphor in Dzogchen and Cognitive Science: Synchronicity of Source and Target. MPhil Dissertation. Universität Oxford, 2022


Version: 1.0-20230923

Diese Website verwendet Cookies, um anonyme Statistiken zu sammeln und die Erfahrung zu verbessern.
Decline
Accept