Als ich an meine Mutter dachte

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Shabkar Tsokdruk Rangdrol

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Als ich an meine Mutter dachte

von Shabkar Tsokdruk Rangdrol

Höre zu, Tsokdruk Rangdrol!

Du sagst, dass deine Mutter, die dich
in diesem Leben in ihrem Schoße trug, gütig war.
Doch warum bedenkst du dann nicht ein einziges Mal
die Güte der anderen Wesen, die dir geholfen haben –
deine Eltern aus unzähligen Leben der Vergangenheit?

Jetzt leiden all diese ehemaligen Mütter
unter großer Hitze und Kälte, Hunger und Durst sowie Knechtschaft;
sie sind verkrüppelt, bettelarm und krank.
Wie kannst du sie nur alle vergessen?

Alle Lebendewesen waren einst deine gütigen Mütter,
und wenn es stimmt, wie der Buddha selbst sagte,
dass es keinen Unterschied zwischen deiner gegenwärtigen Mutter
und denen deiner früheren Leben gibt,
warum beharrst du dann noch immer darauf,
zwischen Müttern aus früheren und späteren Leben zu unterscheiden?
Was ist der Sinn einer solch ungleichen Behandlung?
Überlege es dir gut!

Alle deine früheren Mütter zu vergessen,
und nur einer zu gedenken ist eine Form der Anhaftung.
Glaube also nicht, dass du wahrhaft Mitgefühl erweckt hast!
Denn so lange du Parteilichkeit und Anhaftung unterliegst,
wird es keine Befreiung von Saṃsāra geben.
Solange du Anhaftung besitzt,
behaupte nicht, dass du den Angelegenheiten dieses Lebens entsagt hast!

All jene zu vergessen, die in der Vergangenheit deine Mutter waren,
während du beim Gedanken an deine jetzige alte Mutter Tränen vergießt, würde aus Sicht deines Lehrers oder der Buddhas und ihrer Erben nichts als eine Quelle der Beschämung sein!

Denke an die Gutherzigkeit deiner Mütter der Vergangenheit!
Wenn du beim Gedanken an ihrer Not zu weinen beginnst,
werden der Lehrer, die Buddhas und ihre Erben sich alle freuen.

So wie du an deine Mutter aus diesem Leben denkst, so
gedenke daher des Leidens und der Mühsal
all dieser armen Wesen, die zuvor deine Mütter waren,
und vergieße Tränen für sie alle, wieder und wieder.

So wie du Liebe für deine Mutter aus diesem Leben empfindest,
erzeuge Liebe für alle Wesen, deine Mütter der Vergangenheit,
und erwecke auch Mitgefühl und Bodhicitta
so wirst du die Stufe des Mahāyāna erreichen.

Führe dir wieder und wieder all die Güte
der Wesen der sechs Klassen vor Augen, deiner eigenen gütigen Eltern.
Wenn du dich um sie genauso kümmerst wie um deine Mutter aus diesem Leben, werden auch sie dich lieben, wie ihr eigenes Kind.

Tsokdruk Rangdrol sprach einst diese Worte zu sich selbst, als er an seine Mutter dachte.


| Englische Übersetzung Adam Pearcey, 2012. Mit großem Dank an Alak Zenkar Rinpoche. Deutsche Übersetzung Daniel Dastagir, 2023 unter Mitarbeit von Lakshmi. Lektoriert von Karin Behrendt.


Version: 1.0-20230420

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