1. Anrufen des Lama

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Yukhok Chatralwa Chöying Rangdrol

Yukhok Chatralwa Chöying Rangdrol

Erklärung des Gebetes des Anrufens des Lama

Aus den vorbereitenden Übungen des Longchen Nyingtik

von Yukhok Chöying Rangdrol

Diese Erklärung hat zwei Abschnitte: äußeren und inneren.

1. Der äußere spirituelle Lehrer

Dies bezieht sich auf die Zeilen:

„Oh Lama, nimm dich meiner an!
Aus dem blühenden Lotus der Hingabe inmitten meines Herzens
erhebe dich, oh mitfühlender Lama, meine einzige Zuflucht!
Ich werde geplagt von vergangenen Taten und stürmischen Gefühlen.
Um mich in meiner unglücklichen Lage zu beschützen,
verweile als der Juwelenschmuck auf dem Scheitel meines Kopfes, dem
Chakra der großen Glückseligkeit...“

Wenn du das erste Mal „Oh Lama, nimm dich meiner an!“ rezitierst, rufe, damit sich sowohl in deinem als auch im Geist anderer Entsagung einstellen möge, den Lama an und betrachte ihn dabei als die Verkörperung aller Gurus, des Buddha und des Dharmakāya. Wenn du [das Gebet] zum zweiten Mal rezitierst, rufe ihn, damit kostbares Bodhicitta in deinem Geist entstehen möge, als die Verkörperung der Yidams, des Dharma und des Sambhogakāya an. Bei der dritten Rezitation, rufe ihn, damit sich reine Wahrnehmung von allem, was erscheint und existiert, in deinem Geist erheben möge, als die Verkörperung der Ḍākinīs, der Saṅgha und des Nirmaṇakāya an.[1] Andernfalls kannst du ihn bei der ersten Anrufung als die Verkörperung der drei Juwelen betrachten, beim zweiten Mal als die Verkörperung der drei Wurzeln und beim dritten Mal als die Verkörperung der drei Kāyas.

Stelle dir dann vor, dass durch das Mitgefühl des Meisters, das durch deine Rezitation und dadurch, dass du ihn als die Verkörperung aller Quellen der Zuflucht visualisiert hast, erweckt wurde, der vier- bzw. achtblättrige Lotus des klaren, eifrigen und zuversichtlichen Vertrauens in der Mitte deines Herzens aufblüht. Die alleinige Zuflucht, die all unser Leiden und deren Ursachen im jetzigen sowie in allen zukünftigen Leben und auch in den Bardo- Bereichen vertreiben kann, der Lehrer, der uns den Pfad zur Befreiung und Allwissenheit zeigt, unser gütiger Wurzelmeister, steigt daraufhin durch den Zentralkanal nach oben und verweilt dann, glücklich lächelnd, im Raum über dem Scheitel unseres Kopfes.

Du magst dich vielleicht fragen, wozu das notwendig ist. Es ist [notwendig], damit wir - die Unglücklichen, die aufgrund unserer vergangenen Taten und leidverursachenden Emotionen von schwerem Leid geplagt sind, – vor unserem Karma, den Kleśas und dem Leid, zu dem sie führen, beschützt werden. Aus diesem Grund bitten wir den Meister, von jetzt an bis zu unserer Erleuchtung als der alles beherrschende Gebieter unserer Buddhafamilie und aller Maṇḍalas, als Juwelenschmuck auf dem Cakra der großen Glückseligkeit auf dem Scheitel unseres Kopfes, auf einem Lotus und Sonnen- und Mondscheiben sitzend zu verweilen.

2. Der innere spirituelle Lehrer

Dies bezieht sich auf die Zeile:

„Erwecke all meine Achtsamkeit und all mein Gewahrsein, darum bitte ich dich!“

Was uns innerlich spirituell leitet, ist unsere Achtsamkeit, unser Gewahrsein, unsere Gewissenhaftigkeit und die sechs transzendenten Vollkommenheiten. Wie im Brief an einen Freund erwähnt wird, ist Achtsamkeit die wichtigste Praxis auf allen Stufen des Dharma:

Mächtiger Gebieter, der Buddha lehrte, dass Achtsamkeit auf den Körper
der alleinige Pfad ist, den es zu verfolgen gilt.
Widme dich ihr daher vollständig und behüte sie gut,
denn jegliche Dharmapraxis geht zugrunde, wenn Achtsamkeit jemals verloren geht.[2]

Nachdem er den König als „mächtigen Gebieter“ bezeichnet hat, sagt Nāgārjuna, dass der Buddha gelehrt hat, dass in allen Situationen unseres täglichen Lebens die Achtsamkeit auf den Körper usw. der alleinige Pfad ist, den es zu verfolgen gilt, da alle, die den Pfad zur Befreiung beschreiten möchten, dies von Anfang an anwenden müssen.

Es wird gelehrt, dass Gewahrsein die Quelle aller Vollkommenheit ist. Es ist die Quelle der Pracht des vierfachen Wissens: 1) Des Wissens um die Terminologie aller Dharmabelehrungen und, darauf basierend, 2) eines klaren Verständnisses der Bedeutung, die durch sie vermittelt wird, sowie 3) eines Verständnisses von Ursache und Wirkung für jene, die sich nach dem Glück der höheren Bereiche sehnen, und 4) eines vollständigen Wissens um die Ursachen und Auswirkungen, die zur Erlangung des Zustands der „letztendlichen Gutheit“, d.h. der Befreiung und Allwissenheit, führen. Fehlt uns dieses Gewahrsein, dann, wie es im Weg des Bodhisattva: Die Bodhicaryāvatāra heißt:

Was immer wir gelernt, worüber auch immer wir reflektiert oder meditiert haben:
Jenen, denen es an geistigem Gewahrsein mangelt,
wird es nicht im Gedächtnis bleiben,
genau wie Wasser, das in eine undichte Vase gegossen wird.[3]

Gewissenhaftigkeit ist die Wurzel aller tugendhaften Qualitäten. Wie es im Mond-Lampen-Sutra heißt:

Disziplin, Lernen, Großzügigkeit und auch Durchhaltevermögen,
alles, was sich als tugendhafte Qualität bezeichnen ließe –
die Quelle all dieser ist Gewissenhaftigkeit,
die, wie der Buddha gelehrt hat, ein Schatz ist, den es zu erlangen gilt.

Bete, dass durch das Mitgefühl und den Segen des Meisters diese Qualitäten von Achtsamkeit, Gewahrsein und Gewissenhaftigkeit in unserem Geist entstehen und sich in vollem Ausmaß manifestieren mögen.

Du fragst dich vielleicht, wo diese Kategorien vom äußeren und inneren Lehrer zu finden sind? Im Kurzen Sutra der transzendenten Weisheit steht:

Verlasse dich auf die Buddhas und die Bodhisattvas, die den Pfad zur höchsten Erleuchtung eingeschlagen haben, sowie auf die Pāramitās als deine spirituellen Lehrer. Diese beiden – die Lehrer und die Praktiken – sind die Ursachen für die rasche Verwirklichung der Buddhaschaft.

In Mipham Rinpoches Kommentar zum Kurzen Sutra heißt es:

Verlasse dich auf die Buddhas, die transzendenten Bezwinger, und die Bodhisattvas, die den Pfad zur höchsten Erleuchtung eingeschlagen haben, sowie auf den Pfad der Pāramitās als deine spirituellen Lehrer. Von diesen vermitteln die Buddhas und Bodhisattvas anderen das große Fahrzeug und siond somit die äußeren Lehrer. Der Pfad der Pāramitās, den sie lehren, ist das, was wir praktizieren bzw. uns zu Herzen nehmen sollten, und stellt damit den inneren Lehrer dar. Auf diese Weise bewahren uns die äußeren und inneren Lehrer davor, auf andere Pfade als die des großen Fahrzeugs zu geraten. Sich auf diese beiden zu stützen ist daher eine ausgezeichnete und beispiellose Ursache für die rasche Verwirklichung der Erleuchtung der Buddhas.

Im Tor zum Wissen[4] wird gelehrt:

Zunächst folgen wir dem äußeren Lehrer, dem spirituellen Freund, der das groβe Fahrzeug auf authentische Weise lehrt. Dann, nachdem wir die unfehlbaren Anweisungen über die unteilbare Einheit von Tiefgründigem und Umfassendem erhalten haben, den authentischen Pfad der transzendenten Vollkommenheit der Weisheit, vollkommen ausgestattet mit all den höchsten Aspekten der geschickten Mittel, der vollendeten Methode für die Annäherung an das Erlangen der Buddhaschaft, dem Zustand der Gleichheit jenseits aller Extreme und dem Gegenmittel für alle widrigen Faktoren auf dem Pfad des großen Fahrzeugs, wie der Anhaftung an Extreme oder an konzeptuelle Bezugspunkte, die uns von der „resultierenden Mutter“ [d.h. Nirvāṇa] trennt, wenden wir dies in unserem Geist an und sind somit nie vom inneren Lehrer getrennt.

| Übersetzt von Jurek Schreiner, 2012, unter Mitarbeit von Karin Behrendt.

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  1. Diese drei Qualitäten von Entsagung, Bodhicitta und reiner Wahrnehmung stellen die Essenz der drei Fahrzeuge dar.  ↩

  2. Vers 54.  ↩

  3. Kapitel 5, Vers 25.  ↩

  4. Mipham Rinpoches Khenjuk.  ↩

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